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Was ist Design?

Warum gutes Design mehr ist als hübsch.

Was meine ich eigentlich, wenn ich von “(UX) Design” spreche? Im wissenschaftlichen Kontext ist es gemeinhin üblich, zunächst einmal ein gemeinsames Bergriffsverständnis zu schaffen. Und genau so machen wir’s jetzt auch, ok? Denn, wenn wir über etwas reden, sollten wir sicherstellen, dass wir alle vom Gleichen sprechen. (Das ist ein Hack der auch im Alltag suuuper funktioniert). Es folgt mein Begriffsverständnis. Das sieht bei anderen Menschen die Design machen vielleicht ganz anders aus.

Wenn man „Design“ im Wörterbuch nachschlägt, bekommt man meist eine Definition á la: „Planung, Formgebung, gestalterischer Entwurf unter funktionalen und ästhetischen Gesichtspunkten.“ Das klingt nun sehr sachlich und vielleicht ein bisschen arg trocken. Und ziemlich weit entfernt von dem, was Design für mich inzwischen bedeutet. Denn Design ist für mich weniger ein „Was“, sondern vielmehr ein „Wie“ und vor allen Dingen ein ganz großes „Warum“. Die existierenden Definitionen machen mich also nicht so richtig glücklich. Bevor ich auf mein Designverständnis zu sprechen komme: Zeit für einen kleinen geschichtlichen Exkurs.

Der Begriff „Design“ lässt sich sprachgeschichtlich auf das lateinische designare zurückführen. Das bedeutete übersetzt: bezeichnen, bestimmen, kennzeichnen, aber auch: etwas im Umriss darstellen, umreißen, auszeichnen
(Quelle: Wiktionary)

Über das Italienische disegno („Zeichnung“, „Entwurf“) fand der Begriff Eingang in die europäische Kunst- und Wissenschaftssprache. In der italienischen Renaissance stand disegno für den konzeptionellen Entwurf, also für die Idee vor der eigentlichen Ausführung.

Im 17. Jahrhundert übernahm dann das Englische den Begriff als design. Zunächst im Sinne von „Zeichnung“ oder „Plan“. Ab dem 19. Jahrhundert gewann der Begriff dann zunehmend an Bedeutung im Kontext industrieller Gestaltung. So wurde 1837 in London die „Government School of Design“ gegründet, um die Verbindung aus Kunst, Funktion und Industrie zu fördern. Heute ist besagte Institution als „Royal College of Art“ bekannt.

Wenn heute von Design die Rede ist, ploppen Bilder von teuren Handtaschen oder ikonischen Stühlen vor dem inneren Auge auf. Hauptsache edel. Design = Luxus = teuer = schön. Das ist zwar logisch verständlich, aber für alle, die Design als Prozess verstehen, auch ein bisschen frustrierend.

Dabei war Design nie nur Schmuck, sondern planvoll, funktional und absichtsvoll. Es ging nicht ums „Hübschmachen“, sondern darum, etwas bewusst zu formen, Probleme zu lösen, Orientierung zu geben. Und genau darin liegt bis heute die Stärke von Design.

Jetzt könnte man natürlich sagen: „Mensch, Annabelle, schön und gut. Aber Begriffe ändern sich halt, das ist doch völlig normal. Sprache ist im Wandel, Bedeutungen auch. Ist ja alles im Fluss!“

Stimmt.
Aber gerade wenn Begriffe sich wandeln, finde ich es wichtig (und furchtbar spannend noch dazu!), den Ursprung nicht aus den Augen zu verlieren. Denn der Blick in die Vergangenheit hilft uns zu verstehen, woher unser heutiges Verständnis kommt, was sich verschoben hat und manchmal auch: was dabei verloren ging.

Oder, um es mit Bruno Kreisky (ehemaliger österreichischer Bundeskanzler) zu sagen: “Lernen’S ein bissl Geschichte und dann werden Sie sehen, Herr Reporter, wie sich das damals entwickelt hat.” Mit anderen Worten: Der Blick zurück hilft, das Heute besser einzuordnen. (Fun Fact: Dieses Zitat wird im Intro meines Lieblings-Podcasts „Geschichten aus der Geschichte“ eingespielt. Ich hör’s also ziemlich oft. Kein Wunder, wenn sich da mit der Zeit ein gewisser Hang zum historischen Denken bei mir eingeschlichen hat.)

Wenn wir Design heute nur als „Look & Feel“ sehen, ignorieren wir seine Wurzeln als Reflexions- und Gestaltungsprozess. Dabei kann genau dieses historische Bewusstsein helfen, wieder zum Kern zurückzufinden. Also lasst uns Design als verstehendes Gestalten begreifen, nicht bloß als visuelle Verpackung.

Ich fasse zusammen. Design bedeutet nicht „etwas hübsch und fancy machen“. Vielmehr geht es darum Dinge verständlicher, zugänglicher und nutzbarer zu machen. Design fängt nicht bei der Wahl einer schönen Schrift oder Farbpalette an. Sondern bei Fragen wie:

  • Für wen gestalten wir eigentlich?
  • Was möchten wir kommunizieren?
  • Wessen Bedürfnisse wollen wir berücksichtigen?
  • Welche Annahmen treffen wir gerade ohne sie zu hinterfragen?
  • Welche Aufgaben sollen erleichtert werden?
  • Wo könnten Stolpersteine auftauchen?
  • Welche Barrieren bauen wir vielleicht ungewollt ein?
  • Ist unser Design inklusiv, oder schließen wir unbeabsichtigt aus?
  • Geht es hier gerade wirklich um die Nutzenden oder doch eher um special Stakeholder-Wünsche?
Schreib mir